· 

Auferstehungsgeschichte in der Fastenzeit

„Atmet es eigentlich überhaupt noch? Sollen wir es in den Garten legen, damit es sich ein anderes Tier holt?“ „Nein, ich glaub daran, dass es wieder wird. Es hat noch Leben in sich.“ So ein Dialog zwischen mir und meiner Tochter letzte Woche auf unserem Balkon.

 

Worum ging es da?

 

Zur Erklärung ein kleiner Einblick in unsere Privatsphäre: Wir wohnen im 4. Stock und haben einen Balkon, auf dem – ja, wirklich! – schon öfters Eichhörnchen ihren Kobel gebaut haben. Der Putz unserer Hauswand ist grob genug. Ein paar Mal durften wir auch schon verfolgen, dass sich Nachwuchs einstellte. Meine Gefühle waren dabei immer sehr gemischt: Natürlich schauen die Tierchen absolut süß und putzig aus, andererseits bestand schon immer sehr große Gefahr für unsere teils langgehegten Pflanzen. Meist gelang die Koexistenz aber ganz gut, denn wenn es wärmer wurde und wir Menschen unseren Balkon auch gern selber nutzen wollten, waren auch die kleinsten Tierchen auch schon längst so mobil, dass sie woanders herumturnten. Der Kobel wurde beim Frühjahrsputz entfernt. Im Herbst ging die Sache dann wieder von neuem los.

 

Letzten Samstag (also noch nicht mal Mitte März!) sahen wir zum ersten Mal den diesjährigen Tiernachwuchs. Aufgescheucht durch ein großes rotes Eichhörnchen turnten drei mausgroße Junge auf unserem Balkon herum. Nach ein paar aufregenden Stunden (es war ja richtig stürmisch!) waren aber alle wieder im Kobel. Anders am letzten Dienstag. Wieder scheuchte das rote Eichhörnchen die Kleinen auf, dabei stürzte aber eines in unsere Gartenstühle und blieb da hängen. Nach einiger Zeit retteten wir es und legten es in die Nähe des Kobels, in der Hoffnung, dass es – wie sonst nach Rettungsaktionen auch oft – schnell wieder ins traute Heim zurückflitzen würde. Doch nichts dergleichen, das Tier blieb ziemlich regungslos liegen. Aber es atmete. Wir tippten auf Schockstarre. Und frühstückten erstmal. Doch danach das gleiche Bild mit kaum feststellbarer Atmung.

 

Nun kam unsere Tochter ins Spiel. In dieser Situation fand der Dialog von oben statt.

 

Medizinisch erfahren holte unsere Tochter das Kleine aus dem Blumenkasten unter dem Kobel heraus, wärmte es zunächst in großen Skihandschuhen und massierte es atemstimulierend. Wir Eltern riefen inzwischen den Eichhörnchen-Notruf (https://www.eichhoernchen-schutz.de/) an. Die Anweisung: Wärme geben und auf den Rückruf eines nahen Pflegeteams warten. Das Hörnchen wurde also in die Wohnung getragen und weiter behandelt. Und tatsächlich! Nach und nach kamen Lebenszeichen in den zarten Körper zurück, immer mehr genoss das Tierchen, das inzwischen von unserer Tochter Lazarus getauft wurde, die Massagen und schnupperte interessiert herum. Nun bemerkten wir erst, was für ein ausnehmend hübsches Tier wir da bei uns hatten: der dunkle Körper mit seinem charakteristischen weißen Bauch bildete schon einen schönen Kontrast, ist aber bei den schwarzen Hörnchen recht normal. Doch Lazarus hat keinen normalen schwarzen Schwanz, sondern einen ganz hellgrauen! Sehr besonders! Brav blieb er allerdings in den Händen unserer Tochter, und wir registrierten bei den Bewegungen, dass ein Hinterlauf ziemlich herunterhing und kaum bewegt wurde. Wir bereiteten etwas zum Trinken vor und mittels einer alten Spritze schleckte Lazarus tatsächlich ein paar angereicherte Wassertropfen, als der Rückruf kam. Ein Karton wurde ausgepolstert, der Kleine wanderte gut verpackt in ein altes Betttuch hinein und mit alledem in unser Auto. Der seltene Gast verließ dann ein paar Kilometer weiter unser Fahrzeug und siedelte zur Pflegerin um, die gleich einen Oberschenkelbruch vermutete und dem Kleinen ein Schmerzmittel gab. Ihre Prognose war allerdings sehr aufbauend: Lazarus würde sich schnell erholen und dürfe am Ende der Woche vermutlich schon in eine Gleichaltrigen-WG umziehen. Später wird er dann wahrscheinlich in den Isarauen ausgewildert.

 

Wer also dort ein wunderschönes dunkles Eichhörnchen mit einem hellgrauen Schwanz sieht, darf davon ausgehen, dass er/sie unseren kleinen Lazarus erblickt hat!

 

Kommentare: 0