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Zum Tiroler Caravaca – Kreuz

Es ist Aschermittwoch, trüber Himmel über Tirol – und wenn man die Nachrichtenlage zum Krieg in der Ukraine betrachtet, ist es nicht nur über Tirol trüb, sondern irgendwie sehr verbreitet.

Von verschiedenen Radtouren in der Umgebung kenne ich das Ensmann-Marterl zwischen St. Johann und Oberndorf, und wegen seiner schönen Lage unter zwei knorrigen alten Bäumen und mit Blick auf den Wilden Kaiser und das Tal davor war es immer schon ein beliebter Rastplatz bei uns.

Heute pilgere ich dorthin. Es ist kein malerischer Pilgerweg, nicht idyllisch, nicht schon allein des Weges willen schön. Im Gegenteil: Es geht von St. Johann aus nach Süden auf der Ausfallstraße, zum Glück mit einem Gehweg bis zu einer mit einem großen Kreuz markierten Abzweigung, wo ich mich an die Wegweiser nach Oberndorf halte. Auf einer kleinen Straße geht es direkt auf die große Egger-Fabrik zu, die ich in Folge quasi umrunde. Dahinter öffnet sich der Blick auf Oberndorf, das Sträßchen steigt leicht an und kommt an einer Wegkreuzung zu einer Kapelle mit Rastplatz. Ein kurzer Blick hinein lohnt sich – Volksfrömmigkeit mit vielen Sterbebildern, ein paar Bänke, ein Altar.

Doch ich gehe noch ein paar Meter weiter, die zwei markanten Bäume fallen ins Auge, und schließlich stehe ich vor dem urtümlichen Marterl: Ein aufgerichteter Stein mit einem schmiedeeisernen Kreuz in seiner besonderen Form, der Caravaca-Kreuzform: zwei Balken, die an ihren Enden wie auch oben gen Himmel breiter werden. Auf der Vorderseite ist ein Bild des Schmerzensmannes in den Stein eingelassen, hinten sind vier Löcher, zwei davon gefüllt, keine Ahnung warum.

Ich lasse mich auf der Bank nieder, die Gedanken gehen mal nach Spanien, woher diese Kreuzesart kommt, mal in die Ukraine, wo ein ganzes Land sein schweres Kreuz trägt. Die Legende von Caravaca ist so hoffnungsfroh – der maurische Fürst lässt sich bekehren, nachdem er eine Messfeier miterlebt hatte, die zunächst ohne Kreuz begonnen wurde. Das Fehlen war schnell bemerkt worden, der Priester wollte schon das Zelebrieren einstellen, da aber hätten Engel das Kreuz herbeigebracht, und der Gottesdienst konnte weiter gefeiert werden. Der untere Balken diente also dem himmlischen Transport, was manchmal auch so abgebildet wurde. So ein Wunder, Engel als Transporteure, und am Ende ein christgläubiger Herrscher – es klingt zu märchenhaft, für unsere Zeit und Situation komplett unpassend.

Also gar nicht auf Wunder hoffen, an Engel – vielleicht auch solche ohne Flügel – denken? Stattdessen verzweifeln und resignieren, weil man ja doch nichts tun kann?

Da bin ich dann doch lieber für Hoffen und Beten: Dass vielleicht doch ein Wunder geschieht. Dass zum Beispiel fehlgeleitete russische Soldaten erkennen, was sie da im Begriff sind zu tun. Dass es einen oder mehrere Engel im Umkreis des einsamen Mannes im Kreml gibt, die ihm einflüstern, mit irgendeiner gesichtswahrenden Lösung aus dieser Spirale herauszukommen, in der es sonst nur Verlierer geben kann.

Und ich bin fürs Tun, für tätige Hilfe, wo ich sie leisten kann und wo sie auch da ankommt, wo sie ankommen soll. Dann kann ich vielleicht für jemanden so ein Transport-Engel werden, der das bringt, was gerade so nötig ist.

 

Diese Gedanken nehme ich mit für die heute beginnende österliche Bußzeit. An deren Ende steht nicht der Tod, sondern die Auferstehung. Also: immer weiter hoffen!

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